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Kilimandscharo Auf dem Dach Afrikas

Unsere Autorin Kirsten Milhahn nahm sich vor den Kilimandscharo zu besteigen und lernte dabei auch die Schattenseiten des Tourismus an Afrikas höchstem Berg kennen. Mit Fotogalerie

Inhaltsverzeichnis

Eine verrückte Idee

Es war eine verrückte Idee, unbedingt auf diesen Berg stiegen zu müssen. Obwohl, von der Savanne aus betrachtet der Kilimandscharo anmutet, als wäre seine Besteigung allerhöchstens ein anstrengender Spaziergang. Der Schein trügt. Gewaltig. In Spitzenzeiten drängeln sich täglich bis zu 500 Touristen auf sieben Routen am Berg, und mit ihnen Karawanen von Lastenträgern. Er gilt als der leichteste unter den Seven summits, den sieben jeweils höchsten Gipfeln der Kontinente. Doch viele Bergsteiger, die hoch wollen, erreichen den Gipfel nicht. Denn kaum ein Berg wird so unterschätzt wie der Kilimandscharo - mit seinen 5895 Metern der höchste Berg Afrikas.

Kilimandscharo: Die erste Nacht im Zelt beschert eisigen Frost, dafür gibt der klare Himmel am Morgen den Blick frei aufs Ziel - den Gipfelpunkt Uhuru Peak
Die erste Nacht im Zelt beschert eisigen Frost, dafür gibt der klare Himmel am Morgen den Blick frei aufs Ziel - den Gipfelpunkt Uhuru Peak
© Kirsten Milhahn

Ich wähle die Machame-Route am südwestlichen Hang. Schwierig im Aufstieg, übernachten im Zelt, dafür ist sie landschaftlich eine der schönsten und weit weniger überlaufen. Doch kein Wanderer darf ohne Guide und Träger auf den Berg, so sieht es die Nationalparkbehörde vor. Also sehe ich mich vorher in der Region um. Rund um den Kilimandscharo boomt der Tourismus. Und es ist, wie so vielerorts in der Welt: Große internationale Reiseunternehmen bestimmen Markt und Preise. Ich suche ein lokales Unternehmen. Im Bergdorf Marangu werde ich fündig. Aron Temu, Wanderführer, der den Berg wie seine Jackentasche kennt, betreibt hier eine Art Familienbetrieb: Guides, Köche und Träger rekrutiert er meist unter Familienmitgliedern und Freunden.

Der Aufstieg in Bildern

Doch schon am Gate offenbart sich mir, dass Bergsteigen keine Entwicklungshilfe ist. Vor dem Tor zum Nationalpark lungern hunderte Männer aus den umliegenden Dörfern, jung oder alt, alle auf der Suche nach ein paar Tagen Arbeit. Aus dem schier unerschöpflichen Pulk potentieller Tagelöhnern heuern großer Tourenanbieter billige Arbeitskräfte an, die bereit sind, für ein paar Schillinge Lasten und oft auch das Gepäck der Touristen auf den Berg zu schleppen. Nicht selten kennen die Unternehmen weder deren Namen noch Adressen. Ich habe beschlossen, mein Gepäck selbst zu tragen. Campingtisch und Klappstuhl lässt sich Aron nicht ausreden. Zu sechst ziehen wir los: Bergführer George, Koch Moses, die Träger Modesty, Aefa und Godlizem. Sechs Tage werden wir am Berg unterwegs sein, insgesamt 110 Kilometer zurücklegen und 4585 Höhenmeter überwinden.

Die erste Etappe führt durch dichten Bergregenwald. Schwarz-weiße Stummelaffen springen durch die bemoosten Äste knorriger Urwaldriesen. Mannshohe Farne erinnern an Fabelwesen und krautiges Gewächs überwuchert jeden Zentimeter am Boden. Hier sind´s noch angenehme 25 Grad Celsius. Ein süßlich, feuchtwarmer Duft steigt mir in die Nase. Ich lausche in den Dschungel. Irgendwo in der Ferne rauscht ein Gebirgsbach. Gegen Abend erreichen wir das Machame-Camp, ein Zeltlager auf 3100 m. Ab hier sollen die ersten Symptome von Höhenkrankheit auftreten, Kopfschmerzen, Übelkeit, Leistungsabfall. Nach einer sternenklaren Nacht sind Zelte und Landschaft am Morgen von einer Raureifschicht überzogen. Im Küchenzelt ist längst Betrieb. Koch Moses reicht mir eine Schale porridge, eine kulinarische Hinterlassenschaft der Briten. "Iss", sagt er, "das Zeug bringt Dich über den Tag". Die bräunliche Pampe schmeckt wenig überzeugend, erfüllt aber den Zweck.

Die Nerven liegen blank

Inzwischen ist der Weg so steil, dass ich mich beim Gehen weit nach vorn beugen muss, um den Boden unter den Füssen zu behalten. Dutzende Träger hasten an uns vorbei, viele verschwinden förmlich unter den Gepäckbergen, die sie sich auf Kopf und Schulter geladen haben. Sie wuchten Tische, Stühle, große Zelte hinauf, damit die Touristen es bequem haben. Sie schleppen schwere Gaskocher und Lebensmittel bis in 4600 Meter Höhe. Doch das ist noch lange nicht der Gipfel. Große Tourunternehmen lassen eigens Zelte mit chemischen Toiletten für ihre Gäste hinaufschleppen, obwohl es in jedem Camp genug Klos gibt.

Wir erreichen das Shira-Camp auf knapp 3900 m. Meine Beine kann ich kaum noch spüren, der Rücken schmerzt. Trotzdem gehen wir an diesem Abend noch ein paar Höhenmeter weiter: "Zum Akklimatisieren", sagt George. "Damit Du´s morgen heil über die 4900 m-Marke schaffst." Hier oben ist die Luft schon deutlich "dünner". Ich keuche bei der kleinsten Anstrengung, und zum ersten Mal sucht mich in dieser Nacht die Höhenluft heim. Innere Unruhe hält mich wach und das beklemmende Gefühl, jemand würde auf meinem Brustkorb sitzen.

Kilimandscharo: Blick auf den Nachbarn: Neben Kilimandscharo erhebt sich Mount Meru über die Wolken. Mit 4.565 m Metern Höhe zählt der schlafende Vulkan zum dritthöchsten Berg Tansanias
Blick auf den Nachbarn: Neben Kilimandscharo erhebt sich Mount Meru über die Wolken. Mit 4.565 m Metern Höhe zählt der schlafende Vulkan zum dritthöchsten Berg Tansanias
© Kirsten Milhahn

Die schwere Last der Träger

Kilimandscharo: Einer trage des Anderen Last: Etwa 20 Kilo schleppt jeder Träger. Für ein paar Schilling am Tag wuchten sie Tische, Stühle, schwere Gaskocher und sogar chemische Toiletten bis in 4600 Meter Höhe
Einer trage des Anderen Last: Etwa 20 Kilo schleppt jeder Träger. Für ein paar Schilling am Tag wuchten sie Tische, Stühle, schwere Gaskocher und sogar chemische Toiletten bis in 4600 Meter Höhe
© Kirsten Milhahn

Macht nichts. Trotz Muskelkater und der Blasen an den Fersen, so groß wie Eurostücke führt der Weg weiter Richtung Gipfel. Pole, pole! Schön mit der Ruhe. George und ich, obwohl morgens für gewöhnlich die ersten am Berg, sind abends immer die letzten im Camp. Durch mein Schneckentempo erlebe ich tagsüber auf der Strecke, was viele Touristen nicht sehen: das Leid der Lastenträger. Nicht jeder von ihnen ist körperlich imstande, 20 Kilo auf den Schultern zu schleppen. Immer wieder begegnen wir einem, der erschöpft am Wegesrand hockt. Sie klagen über Schmerzen in der Brust, Schwindelanfälle, haben Hunger. Ihre zerschlissene Kleidung und abgetragenen Straßenschuhe verraten, wie weit sie gehen, um für ein bisschen Geld Leben und Gesundheit zu riskieren. Ich frage nach: Alle von ihnen arbeiten für denselben großen internationalen Expeditionsveranstalter. Wie es um soziale Standards stünde, frage ich sie. Sie fragen mich, was das sei. Wer am Berg krank wird, ist gefeuert. Wer sich verletzt oder es einfach nicht mehr schafft, bekommt sein Geld für den Tag und muss umkehren. Wer später im Hospital landet hat eben Pech gehabt.

In klammer Kälte gelangen wir zum Fuß des Lava-Towers, einem Schlot am Vulkankegel, die besagte 4900 m-Marke. Es ist gespenstisch diesig hier, Streifenmäuse huschen über die ersten Schneeinseln, wuseln zwischen Füßen, schlüpfen in halboffene Rucksäcke auf der Suche nach Fressbarem. Gebetsmühlenartig fragt mich George "Are you ok?". Geht´s Dir gut? Ich antworte ihm ebenso monoton: "I am ok, George." Alles bestens. Menschen verunglücken immer wieder am Berg, weil sie und vor allen ihre Guides die ersten Anzeichen von Höhenkrankheit ignorieren.

Gletscherzungen in Afrika

Erst als wir den Lavatower schon lang hinter uns gelassen haben und auf 3600 m zum nächsten Camp absteigen, weiß ich was George mit seiner Fragerei bezweckt hat. Ich stolpere über Geröll, kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Rasender Kopfschmerz galoppiert heran, fast so als wolle mir der Schädel bersten. Ich werde einsilbig, die Nerven liegen blank, ich will ins Camp. Schlafen, ich bin höhenkrank.

Am nächsten Tag sind die Symptome weg. Dachte ich, doch dann schaue ich morgens im Zelt in meinen Handspiegel und traue meine Augen nicht. Nee, das bin ich nicht! .... Das darf doch nicht wahr sein!! Statt Kopfschmerzen habe ich jetzt riesige Ödeme unter den Augen, an Wange und Nase. Außer mir scheint das aber niemanden zu stören. Als ich den Kopf ins Freie stecke, ruft Modesty vom Küchenzelt herüber: "Hast Du Dein Frühstück schon gesehen?" Dann deutet er grinsend auf die Felswand vor uns.

Es ist Gipfeltag, und die wohl anstrengendste Etappe der gesamten Tour. Vor allem für die Träger, die jetzt auch noch Wasservorräte mitschleppen müssen, weil es im letzten Camp auf 4600 m kein Wasser mehr gibt.

Bis dort hinauf sind es sechs Stunden durch alpine Wüstenlandschaft und Nebel. Wir überwinden 1000 Höhenmeter. Und alles was uns dann am Barafu-Zeltlager, den Ausgangspunkt der Gipfeltour erwartet, ist Hamburger Schmuddelwetter: Nieselschneeregen bei gefühlten 0 Grad, die Wolken hängen auf Stirnhöhe. Zumindest die Träger sind glücklich. Für sie ist die Arbeit hier beendet.

Die letzte Etappe

George, Modesty und mir dagegen bleiben gerade fünf Stunden bis zum nächtlichen Aufstieg. Essen, hinlegen, schlafen. Gegen 11.00 Uhr nachts brechen wir auf, damit wir zum Sonnenaufgang den Gipfel erreichen. Draußen ist´s stockduster, unter meinen Füßen knirscht der gefrorene Boden. Gefühlte 5 Grad minus. Wir stapfen los, Schritt für Schritt im Schein der Taschenlampen den schmalen, steilen Gipfelpfad hinauf, nehmen keuchend Serpentine um Serpentine. Immer wieder anhalten, durchatmen, dann die nächste Biegung. Geschafft. Und dann geht unter uns am Horizont plötzlich der Mond auf, wandert nach oben und zaubert unheimliche Schatten an den Berg. Wie eine Kuppel breitet sich über uns die sternenklare Nacht aus. Es ist viel kälter geworden. Wir haben heißen Tee dabei, der irgendwann auch nicht mehr wärmt. Finger- und Zehenspitzen werden starr. Ich weiß nicht, ob es an der Kälte liegt oder der Höhe. Die ersten Gletscherzungen kommen in Sicht. Es ist jetzt richtig eisig, der Wind pfeift um die Felsbrocken, zwischen denen wir uns inzwischen wie in Zeitlupe vorbeischieben. Der Körper scheint sich auf das Wesentliche zu beschränken: immer schön einen Fuß vor den anderen, kein Gedanke mehr, nur noch gehen und atmen. Atmen.

Kilimandscharo: Letzte große Etappe durch alpine Wüste: Die Anstrengung der letzten Tage steht allen im Gesicht geschrieben
Letzte große Etappe durch alpine Wüste: Die Anstrengung der letzten Tage steht allen im Gesicht geschrieben
© Kirsten Milhahn

Das richtige Team ausgewählt

Kilimandscharo: Kurz vor dem Ziel: Nach einer durchwanderten, quälend langen, eiskalten Nacht am Berg geht bei 5600 Höhenmetern endlich die Sonne auf. Spätestens bei diesem Anblick wird einem klar, wofür sich die Quälerei lohnt.
Kurz vor dem Ziel: Nach einer durchwanderten, quälend langen, eiskalten Nacht am Berg geht bei 5600 Höhenmetern endlich die Sonne auf. Spätestens bei diesem Anblick wird einem klar, wofür sich die Quälerei lohnt.
© Kirsten Milhahn

In den Morgenstunden verlässt mich die Kraft. Sieben Stunden gehen wir nun schon steil am Berg. Ich kann den Gipfel sehen. Doch immer wieder geht mir die Puste aus. Ich japse nach Luft wie ein Fisch auf dem Trocknen, treibe mich an, Schritt für Schritt. Doch die Höhe raubt mir den Willen. Irgendwann schaffe ich keinen Meter mehr ohne Pause. Von Hustenkrämpfen geschüttelt, muss ich mich fast übergeben. Etwa 200 Meter vorm Gipfel gebe ich auf.

Erst wer es nicht nach oben schafft, weiß wo die großen Ziele liegen, sollen die bayrischen Bergsteigerbrüder Huber mal gesagt haben. Ich bin enttäuscht und verdrücke im Schein der aufgehenden Morgensonne eine Träne. Ich habe die Höhe unterschätzt. Doch mit der Sonne kommt auch die Wärme zurück und mit ihr die Zufriedenheit. Der Weg war das Ziel und der höchste Berg Afrikas war´s wert. Wir steigen ab.

Auf dem Rückweg wird mir noch einmal klar, wie wichtig es ist, sein Team gut auszuwählen. Ich bin mit fünf Fremden aufgebrochen, habe mich ihrem bergsteigerischen Können anvertraut. Am Kilimandscharo waren wir ein Team, jeder hat sich auf den anderen verlassen. Die fünf Männer aus Marangu haben gut für meine Sicherheit gesorgt. Eine junge Amerikanerin hatte weniger Glück. Mit ihren Guides war sie nach uns in derselben Nacht zum Gipfel aufgebrochen. Kurz vor dem Ziel ist sie höhenkrank zusammengebrochen, gestürzt und hat sich schwer verletzt. Es waren die Träger, die sie an dem Morgen auf einer Nothilfebahre hinunter bis zum Gate geschleppt haben.

Ethisch reisen am Kilimandscharo

- Suchen Sie nach lokalen Reiseanbietern

- Buchen Sie nicht beim günstigsten Veranstalter. Billige Preise haben oft einen Grund: Der Anbieter spart, an Ihrer Sicherheit und zu Lasten der Trägern.

- Fragen Sie schon bei der Buchung einer Tour, ob der Anbieter Sozialstandards für die Träger einhält, wie diese ausgerüstet und ob sie krankenversichert sind.

- Schauen Sie hin am Berg: Bemerken Sie Fälle von Ausbeutung der Träger, üben Sie Druck aus auf den Reiseveranstalter. Nur so kann sich die Situation der Menschen am Kilimandscharo langfristig verbessern.

Alternative Anbieter:

Aron Temu (Bergführer)

P.O. Box 938 Marangu/Kilimanjaro

Tansania Tel.: 00255-754 069 913 E-Mail: ndeuto@yahoo.com

Kushiland Expeditions & Tour Safaris Ltd Taifa Road,C. C. M

P. O Box 1377, Moshi – Kilimanjaro. Tanzania Telefon: + 255-27 2754307 Mobil: + 255-784 433 705 Email: info@kushiland.com

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