Bill Groth hat sein Werk am Nil fast vollendet. Der Chefingenieur des Unternehmens Bujagali Energy Limited (BEL) steht hoch oben auf der Staumauer. Wie ein gigantischer Elefantenrücken teilt sie den Fluss in zwei Hälften. Hinter dem Damm wälzt sich der breite Strom vom südlich gelegenen Victoriasee heran, presst sich mit aller Kraft in die engen Betonkanäle des Wasserkraftwerks und stürzt mit Getöse über die Umlaufschächte mehr als 50 Meter in die Tiefe. "Eine Million Liter Wasser rauschen hier pro Sekunde abwärts", ruft Groth, während ihm der Lärm fast die Worte von den Lippen fegt. Dabei deutet er auf den Betonkoloss gleich neben Staudamm und Schächten. "Dort in der Turbinenhalle bündelt sich die Gewalt des Wassers."

Seit Anfang Februar treibt der Nil die erste der fünf riesigen Turbinen von Ugandas erstem modernen Laufwasser-Kraftwerk an. Mit einer Leistung von 250 Megawatt ist es die größte, privat betriebene Hydropower-Anlage in der ganzen Sub-Sahara-Region. Nahe der Stadt Jinja, dort wo der Victoriasee mit geeignetem Gefälle in den Nil spült, produziert das Bujagali-Projekt künftig, was das Entwicklungsland in Ostafrika so dringend braucht, um wirtschaftlich auf die Beine zu kommen: eigenen, bezahlbaren Strom für möglichst viele Menschen – und wird auf die Weise zum Vorreiter für andere afrikanische Staaten südlich der Sahelzone.

Bislang lähmen fehlende Energieressourcen ganze Nationen Afrikas, wie etwa Uganda. Das will schon 2025 Schwellenland werden. "Doch ohne Strom wächst keine Wirtschaft, floriert keine Landwirtschaft", sagt Frank Albert, der das Büro der KfW-Entwicklungsbank in Ugandas Hauptstadt Kampala leitet. "Wie etwa soll ein Bauer die Milch seiner Kühe in großem Stil verkaufen, wenn ihm der Strom fehlt, um sie zu kühlen?"

Uganda produziert nicht mehr Strom als eine deutsche Stadt

Und die Bevölkerungszahlen steigen, allein in Uganda jedes Jahr um eine Million. Diese Menschen bräuchten Perspektiven, sagt Albert. Und sie benötigten Jobs. Doch ohne Strom laufe nichts.

Derzeit produziert Uganda nicht mehr Elektrizität im Jahr als eine mittelgroße Stadt in Deutschland in derselben Zeit verbraucht – meist mittels gemieteter Dieselgeneratoren und Notstromaggregaten. Keine zehn Prozent der Haushalte sind ans Netz angeschlossen. Vor allem die Menschen in den Dörfern leben fast ohne Strom. Dort wo es ihn gibt, fällt er mehrmals täglich aus: in Krankenhäusern, Betrieben oder sogar auf dem Flughafen in Entebbe. Das verursacht hohe Verluste und kostet schlimmstenfalls das Leben.

Mit der Kraft des Nilwassers soll sich das ändern. "Geht das Bujagali-Kraftwerk bis Mitte 2012 vollständig ans Netz, steigert sich das verfügbare Stromaufgebot im Land um mehr als die Hälfte", sagt Albert. Uganda vollzöge damit gewissermaßen die Energiewende. Stinkende, überteuerte Generatoren würden dann in die Vergangenheit gehören. Die Kilowatt-Stunde wird bezahlbar. Statt im Schnitt 19 Euro-Cent vom Dieselmotor kostet sie nur noch fünf Euro-Cent. Zudem wird die Energie klimafreundlicher. Fachleute schätzen, dass Uganda durch Bujagali mehr als 900.000 Tonnen an CO2-Emissionen pro Jahr einspart.

Um die Fotostrecke zu sehen, klicken Sie bitte auf das Bild. © Edward Echwalu

"Nicht zuletzt das rechtfertigt die hohen Investitionskosten", betont KfW-Büroleiter Frank Albert. Mehr als 660 Millionen Euro sind bislang in den Bau des Kraftwerks geflossen. Der Großteil des Geldes stammt von einem internationalen Finanzierungskonsortium, zu dem auch die KfW-Entwicklungsbank und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) zählen. 34 Millionen Euro haben beide im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit zum Bau beigesteuert. Ein Förderkredit, den Kraftwerksbetreiber BEL dafür dringend benötigte.

Zehntausende Tonnen Material und unzählige Spezialmaschinen mussten herangeschafft werden. Mehr als 4.000 Ugander fanden Arbeit auf der Großbaustelle am Nil. Fachleute wie Bill Groth wurden gebraucht. Der 51-jährige Amerikaner hat schon überall auf der Welt Kraftwerke gebaut. Im Jahr 2008 kam er nach Jinja, zwölf Monate nach Baubeginn – und mit ihm weitere Experten aus über 50 Ländern. Ferien hat er seitdem nie gemacht. "Am Wochenende mal ein bisschen Golf", das sei es schon gewesen. Die Hektik dieser Baustelle liege ihm mehr als das Idyll irgendeines Tropenstrandes. Groth, der den Fluss liebt, hat in Uganda etwas Besonderes gefunden, sagt er. "Hier kann ich etwas bewegen. Dieses Gefühl treibt mich an."